Big Blue macht bei Multi Cloud endlich ernst
Kurz vor Weihnachten hat IBM die Akquisition des Multi Cloud Spezialisten Nordcloud aus Helsinki bekanntgegeben. Die Nachricht folgt auf zahlreiche weitere Akquisitionen von IBM in den letzten Monaten, sowie der Ankündigung zur Abspaltung des Infrastrukturgeschäfts in die sogenannte Newco und dem Fokus auf Cloud- und Softwareservices im Kerngeschäft.
Für beide Unternehmen ist dieser Schritt ein großes Wagnis. Denn IBM hat trotz einiger Zukäufe, wie insbesondere Red Hat im vergangenen Jahr, nie wirklich das Multi Cloud Commitment gezeigt, dass es derzeit im Markt braucht. Die Signalwirkung dieses Deals zeigt aber, dass der Schritt wohl notwendig war. Umgekehrt sind nicht alle zugekauften Unternehmen im IBM Konzern wirklich glücklich geworden und mussten sich teilweise nach wenigen Monaten in der Bedeutungslosigkeit wiederfinden. Dieses Schicksal sollte für Nordcloud an IBMs Stelle vermieden werden, braucht es doch den Impuls der Multi Cloud Profis im angestaubten Hybrid Cloud Tanker dringender denn je.
Was die Nordcloud-Akquisition bedeutet – und warum es sie dringend brauchte
IBM ist bis zuletzt einen sehr eigenwilligen, aber nicht zwangsläufig unerfolgreichen Cloud-Kurs gefahren. Während die Hyperscaler Google, AWS und Microsoft ihr Geschäft komplett der Public Cloud Plattformen verschrieben haben und sich auf Preis, Plattform-Services und Management-Ebene bekämpft haben, hat IBM den Vendor Lock-In in seine Hybride Cloud stark forciert. So wurden die Hyperscaler nur als unliebsames Add-On für die Kunden betrieben, der Fokus lag aber auf einer mächtigen und durch und durch “Big-Blue”-geprägten IT-Architektur.
Dies stieß gerade bei den großen und eher cloud-aversiven Unternehmen auf Anklang. Doch die Innovations- und Wachstumsgeschwindigkeit der Hyperscaler konnte IBM so nie erreichen. Mit der Akquisition von Red Hat hat IBM in typischer Manier Fakten geschaffen und sich eines der heißesten Open Source und Cloud-Native Unternehmen gesichert.
Dies hat aber letztlich auch eher dazu geführt, dass neben der traditionellen IBM ein frischer Anstrich und ein funktionierendes Geschäft aufgebaut wurde – eine echte Transformation und ein Umdenken kam nie wirklich hervor.
Mittlerweile bestätigen Studien und Erfahrungen innerhalb der Unternehmens-IT, dass die Multi Cloud in Sachen Sourcing-Mix für die digitale Infrastruktur der Zukunft gesetzt ist. Ein aktuelles Ergebnis einer noch nicht veröffentlichten Studie von von Cloudflights unabhängiger Marke Crisp Research bestätigt, dass auch in der DACH-Region 70 Prozent der Unternehmen perspektivisch einen Multi Cloud-Ansatz für ihre IT-Landschaften wählen. Für 2021 erwartet Cloudflight in seinen Trends für 2021, dass insbesondere hybride PaaS-Dienste über mehrere Cloud-Umgebungen hinweg genutzt werden.Während IBM lange Zeit überzeugt von der eigenen Hybrid-Cloud-Lock-In-Strategie war, erlebten Unternehmen wie Nordcloud einen regelrechten Wachstumsschub. Von Beginn an war Nordcloud als Managed Public Cloud Provider mit tiefer Expertise in allen drei Hyperscaler-Clouds ein wichtiger Transformationspartner für europäische Unternehmen. Zeitpunkt, Expertise und Positionierung von Nordcloud haben dazu geführt, dass viele Unternehmen gemeinsam mit Nordcloud erste Gehversuche, Erfolge und Wachstumsstrategien in der Public Cloud feiern konnten.
Im Laufe der Zeit hat auch Nordcloud sich mit der Reife der Cloud in Europa stärker zum ganzheitlichen Transformationspartner entwickelt, der insbesondere die neuen Geschäftsmodelle und differenzierenden Services in die Public Cloud bringt und deren Betrieb sicherstellt.
So haben Nordcloud und IBM lange Zeit den gleichen Zielmarkt anders interpretiert und bespielt. In unserem Mikrokosmos Cloud könnte man fast von einer völlig unterschiedlichen Weltanschauung sprechen.
In der Realität verwischen diese Extreme sicherlich, dennoch sollte IBM das Momentum des frischen Winds nutzen. Synergien aus dem IBM-Cloud-Geschäft der Vergangenheit, was die Größe, Wertschöpfungstiefe und Reichweite mit eigenen Produkten betrifft, mit der Multi Cloud-Expertise der Nordcloud, sind mehr als offensichtlich.
500 vs. 260.000 – Reicht Nordcloud für die neue Strategie?
Eine wesentliche Frage im Zuge des Deals, die noch nicht endgültig beantwortet ist, ist ob Nordcloud vollständig innerhalb von IBM aufgehen wird oder weiterhin eigenständig operiert.
Beide Optionen haben ihre Argumente für und gegen sich. Denn einerseits steht der gesamten IBM etwas mehr Nordcloud und Multi Cloud Mindset gut zu Gesicht, andererseits sollte auch das sehr spitze Nordcloud-Portfolio nicht verschwinden, um den Mehrwert für die bisherigen und künftigen Kunden nicht zu verwässern.
Erst kürzlich wurde von IBM-Seite gesagt, dass es für die weitere Cloud-Transformation keine 10-Mrd-Dollar-Deals geben wird. Da es nur wenige bis keine Unternehmen in dieser Liga gibt, die ein derart klares Multi-Cloud-Portfolio besitzen, ist das für IBM auch besser so. Dennoch müssen die Strahlkraft des Deals und seine Wirkungskraft auch realistisch betrachtet werden. 500 Nordcloud-Mitarbeiter stehen 260.000 IBM-Mitarbeitern gegenüber. Selbst wenn nur jeder fünfte davon künftig die große Multi-Cloud-Story spielen soll, müsste jeder Nordcloud-Mitarbeiter 100 IBM-Mitarbeiter coachen. Bis das gelungen ist, sind die Kunden schon beim Mitbewerb, um ihre digitalen Plattformen, AI- & IoT-Services auf der Public Cloud zu betreiben.
7 Jahre nach Softlayer – macht IBM die selben Fehler noch einmal?
Folglich hat IBM nicht mehr alle Zeit der Welt, sich mit der passenden Integrations- und Positionierungsstrategie zu befassen.
Es wäre zumindest nicht das erste Mal, dass IBM ein großes Momentum der eigenen Cloud-Transformation verspielt. Nach der Übernahme von Softlayer hatte IBM einige Monate ein verheißungsvolles Standing im Markt für Public Cloud Services. Der feste Glaube an die Grundfesten der IBM-Strategie hat dieses Momentum so stark verwässert, dass nun nur wenig übrig geblieben ist. Bei der Akquise von Softlayer ist damals die Agilität verschwunden, nachdem IBM praktisch all seine Infrastrukturdienste in die Softlayer “Division” transferiert hatte. Ein Schnellboot zieht eben keine Öltanker aus dem Hafen. Um es dieses Mal richtig zu machen, muss Nordcloud sich wirklich auf das native Multi-Cloud-Business konzentrieren und IBM das Infrastruktur-Business auf Kundenhardware konsequent in die Newco auslagern.
So könnte IBM ein stringentes Portfolio schaffen, das die Enterprise- und End-To-End-Expertise von IBM mit der Multi Cloud Expertise von Nordcloud vereint. In der Konstellation kann IBM/Nordcloud eines der ersten Unternehmen sein, dass die hybride Multi Cloud in Europa und darüber hinaus kontrollieren könnte.
Wir dürfen gespannt sein, ob sich beide Unternehmen das perfekte Weihnachtsgeschenk gemacht haben oder ob es sich eher als ein Umtauschkandidat erweisen wird.
Studie zum Thema:
<"h3" class="w-text us_custom_ea7fc3dd">“ManagedIn Zeiten der Digitalisierung wird die Nutzung der globalen Public Cloud Plattformen zur Selbstverständlichkeit. Und zwar nicht nur in Startups und Digitalabteilungen, sondern mittlerweile auch in der zentralen Unternehmens-IT.<"h3" class="w-text us_custom_92dac646">“Managed