Mit rund 6,1 Mrd. Euro werden deutsche Unternehmen im Jahr 2014 schon rund 7% ihrer IT-Budgets für Cloud Technologien, Services und Integration ausgeben. Welche Rolle spielen die sogenannten Cloud-Ökosysteme und Cloud-Marktplätze im Rahmen der Strategiebildung und des Cloud-Sourcing heute und zukünftig? Mit welchen dieser neuen Beschaffungsoptionen sollten sich CIOs und IT-Einkaufsmanager heute intensiver beschäftigen?
Die Analyse des Kaufverhaltens ist eine der ältesten und zentralsten Disziplinen der Marketingforschung. Doch auch rund 50 Jahre nach der Veröffentlichung von Vance Packard´s„Die geheimen Verführer“ und dem Nobelpreis an Daniel Kahnemann für seinen Beitrag zum besseren Verständnis des menschlichen Entscheidungsverhaltens („Behavioral Economics“), lässt sich das Kauf- und Investitionsverhalten immer noch nicht präzise voraussagen.
Gerade im IT-Markt können technologische Innovationen oder neue Designtrends (iPhone) für kurzfristige Veränderungen im Adaptions- und Einkaufsverhalten sorgen. Aber auch neue Sourcing- und Einkaufsmodelle können den Markt nachhaltig verändern. Denn meist ist es nicht nur das Produkt allein, sondern vor allem die Ausgestaltung von Beschaffung und Bereitstellung, die den Ausschlag bei der Entscheidung gibt.
Im Kontext des Cloud Computing, wo Rechenressourcen, Speicherkapazität und Software, als Services bereitgestellt und nutzungsabhängig bepreist werden, lösen sich etablierte Wertschöpfungsketten auf und vollkommen neue Einkaufsoptionen entstehen. Wie Unternehmen, IT-Einkaufsmanager und CIOs diese neuen IT-Einkaufsoptionen bewerten und nutzen können, soll im Folgenden beschrieben werden (Einführung siehe Teil 1).
In den letzten Jahren sind im Cloud-Markt eine Reihe neuer Bezugs- und Sourcing-Optionen entstanden. Es existiert eine Vielzahl von Plattformen, Ökosystemen und Marktplätzen auf denen Cloud-Dienste angeboten werden bzw. bezogen werden können. Oft fällt die Unterscheidung aus Perspektive des Anwenders schwer, da es keine allgemeinverbindlichen Definitionen für diese Modelle gibt. Da die meisten Cloud-Plattformen, -Ökosysteme und –Marktplätze sich noch in einer frühen Entwicklungs- und Reifephase befinden, ändern sich Sortiment, Partner und auch die Konditionen noch in einem schnellen Rhythmus.
Die Cloud-Einkaufsmodellelassen sich differenzieren nach ihrer Kategorie (Plattform, Ökosystem, Marktplatz), dem Betreiber (Technologieanbieter, IT-Service Provider, Distributor, unabhängiger Betreiber), der Kernfunktionalität (Schaufenster, Preisvergleich, Vertragshandling, Integration, Service Delivery) und der Tiefe der Prozessintegration.
Neben all diesen differenzierenden Merkmalen haben die neuen CloudScourcing-Modelle auch vieles gemein. So stellt die Aggregation einer Vielzahl von Cloud-Diensten und Angeboten einen gemeinsamen Nenner dar. Denn nur wenn sich für den IT-Anwender bzw. IT-Einkäufer die Informations- und Transaktionskosten reduzieren lassen entsteht ein Mehrwert. In diesem Kontext spielt das Herstellen von Vergleichbarkeit und Transparenz eine wesentliche Rolle. Da die Cloud-Dienste – egal ob IaaS, SaaS oder PaaS – sehr unterschiedlich ausgestaltet sind (Features, Benchmarks, SLAs), hat der IT-Anwender einen echten Mehrwert, wenn sich die Angebote einfach und mit vertretbarem Zeitaufwand vergleichen und evaluieren lassen. Denn in der Praxis entfallen auf diesen Teilschritt der Cloud-Beschaffung schnell mal hunderte Manntage, die bei kleinen Einkaufsvolumina (<500.000 Euro/Jahr) die möglichen Einsparungen gleich wieder zunichte machen.
Neben Aggregation und Transparenz spielen Integration und Convenience eine wesentliche Rolle. Nur wenn über das neue Scouring-Modell sichergestellt ist, dass die IT-Anwender die Cloud-Dienste einfach und ohne großen Integrationsaufwand beziehen, überwachen und bezahlen können, macht dieser Beschaffungsweg Sinn. Bezogen auf den Einkauf von SaaS beispielsweise bedeutet dies, dass das Onboarding und die Verwaltung der Nutzer sowie die Abrechnung einheitlich erfolgen. Nach dem Motto – Viele Apps auf einer Rechnung!
Cloud-Plattformen
Cloud-Plattformen stellen sich in der Regel als Kombination einer bestehenden Cloud-Infrastruktur oder -Anwendung mit einer Vielzahl angebundener Zusatzdienste dar. Die Zusatzdienste sind technologisch eng mit der Kerninfrastruktur bzw. Kernanwendung integriert und ermöglichen den Zugriff auf die Datenbestände des Kunden. Die Zusatz- und Mehrwertdienste werden meist von Partnerunternehmen bereitgestellt und über eine standardisierte API an die zentrale Cloud-Infrastruktur/Anwendung des Providers angebunden. Anwender können die Zusatzdienste direkt auf der Cloud-Plattform kaufen und meist mit den bestehenden Nutzerdaten und –Berechtigungen starten. Es besteht somit ein hoher Integrationsgrad, was einerseits den Kauf und die Implementierung für den Anwender vereinfacht. Andererseits besteht so aber eine relativ hohe Abhängigkeit vom jeweiligen Cloud-Plattform-Anbieter. Ändert dieser die Spielregeln auf seiner Plattform oder die API, hat der Anwender einer bestimmten Zusatz-Anwendung wenig Eingriffsmöglichkeit.
Da sich die Zusatzdienste primär aus dem bestehenden Partnersystem des jeweiligen Cloud-Anbieters rekrutieren, ist die Auswahl an verfügbaren Lösungen selektiv und umfasst meist nicht das gesamte Marktspektrum. Beispiele für solche integrierten Cloud-Plattformen sind Microsoft Azure, Google CloudPlatform, Salesforce1, AWS und andere. Das Kräfteverhältnis zwischen Kernsystem und Zusatzdienst ist allerdings klar geregelt. Im Epizentrum steht der Cloud-Plattform-Betreiber. Im Orbit kreisen die Partner mit ihren Apps und Zusatzdiensten.
Cloud-Ökosysteme
Cloud-Ökosysteme hingegen zeichnen sich durch eine größere Balance zwischen den teilnehmenden Partnern sowie eine etwas geringere Integrationstiefe aus. Meist sind Cloud-Ökosysteme eine Verbund verschiedener Technologie- und Serviceanbieter, die ihren Kunden entweder Sonderkonditionen, Unterstützung bei der Implementierung oder gegebenenfalls individuelle Lösungen zur Verfügung stellen. So vernetzt beispielsweise Co-Location-Anbieter Equinix mehrere Cloud Service-Partner in seinen Rechenzentren. Sehr erfolgreich hat dies auch T-Systems realisiert, die im neuen Rechenzentrum nahe Magdeburg zukünftig den Betrieb von Salesforce in Deutschland übernehmen werden – andere Cloud-Service-Anbieter werden folgen. In diesen Szenarien erhalten die Anwender erstmals die Möglichkeit, marktführende Cloud-Dienste aus deutschen Rechenzentren zu nutzen – inklusive deutscher Datenschutzregelungen.
Cloud-Marktplätze
Cloud-Marktplätze bieten im Gegensatz zu den Cloud-Plattformen und Cloud-Ökosystemen einen neutralen und umfassenden Aggregationsansatz. Da echte Marktplätze (im Gegensatz zu herstellergebundenen „App Stores“) primär von unabhängigen Dienstleistern betrieben werden, existieren hier keine Interessenkonflikte oder Ausschlusskriterien. Der Zugang zum Marktplatz steht allen Anbietern erst einmal offen. Auch zeichnen sich Marktplätze, wie z.B. der IaaS-Marktplatz der Deutschen Börse Cloud Exchange, dadurch aus, dass ein echter Wettbewerb entsteht. Während Ökosysteme und Plattformen tendenziell darauf aus sind, ein möglichst breites Spektrum mit teils exklusiven Partnern zu bedienen, setzen Marktplätze auf Preistransparenz innerhalb einer klar abgesteckten Marktkategorie. Anwender profitieren auf Marktplätzen somit nicht nur von einer verbesserten Markttransparenz, sondern ebenfalls von günstigen Preisen. Gerade im Hinblick auf IT-Ressourcen die einem hohen Preisverfall unterliegen und die flexibel eingesetzt werden können (Rechenleistung und Speicherkapazität – im Gegensatz zu SaaS-Diensten), macht der Bezug über Marktplätze für IT-Entscheider Sinn.
Vergleich der Cloud-Plattformen, -Ökosysteme und Marktplätze
Vom Tante-Emma-Laden zur Cloud-Shopping-Mall
Mangelnde Vergleichbarkeit, komplizierte Verträge, schwache Kontrollmöglichkeiten – dies wird in einigen Jahren wohl der Vergangenheit angehören. Rund 10 Jahre nach dem Startschuss des Cloud-Marktes haben sich auch die Bezugsoptionen gewandelt. Crisp Research prognostiziert den Anteil der über Cloud-Marktplätze, -Plattformen und Ökosysteme gehandelten Cloud-Dienste bis 2018 auf rund 22%. Voraussetzung dafür ist, dass die Marktplatz- und Plattform-Betreiber das Thema Integration und User Experience ernst nehmen und dies nicht dem Anwender überlassen.