Expert Views

Published on May 31, 2019

Werden App-Stores für SaaS-Anwendungen durch Integration endlich erfolgreich?

  • Werden App-Stores durch die Integration unter verschieden Anwendungen attraktiver?
  • Was steckt hinter dem neuen Flowground.net Angebot der Deutschen Telekom?
  • Crisp Research sprach mit dem innovativen Kopf hinter Flowground

App-Stores gibt es nun schon recht lange. Nicht nur jeder große Software-Hersteller wie Salesforce.com versucht seine SaaS-Anwendungen und eine große Zahl von darauf basierten Anwendungen und Erweiterung mit einem App-Store zu verkaufen. Seit einigen Jahren haben auch die Telekommunikations-Anbieter App-Stores als Vertriebsweg entdeckt und versuchen damit SaaS-Lösungen, besonders im Mittelstand, zu vermarkten. In den meisten Fällen waren diese App-Stores aber reine eCommerce-Plattformen für vollkommen unabhängige SaaS-Lösungen. So sind heute auch auf dem Cloud-Marktplatz der Deutschen Telekom die Main-Stream SaaS-Lösungen wie Mircosoft Office 365 oder Salesforce.com Sales Cloud die Top-Seller.

Dabei ist der Mehrwert für Kunden über den Telco App-Store die SaaS-Anwendungen zu kaufen, anstelle direkt zu den einzelnen Anbietern zu gehen, gar nicht so groß. Ok, wenn man schon Geschäftskunde bei einem Telekommunikations-Konzern ist, erscheinen die Subscriptions einfach als zusätzliche Leistungen auf der Rechnung neben den Internet- und Telefonkosten. Auch sind Sicherheit und Compliance der regionalen Telcos ein Argument für Kunden, über sie als lokale Reseller zu kaufen. Leider machen es die Software-Hersteller den Telcos alles andere als leicht. Jeder versucht die Kundenbeziehung in Besitz zu nehmen, indem beispielsweise die User-Identitäten in Anspruch genommen werden. Kauft ein Kunde beispielsweise eine Office 365 Subscription und ein CRM System im App-Store einer Telco, sollte eine direkte Integration eigentlich Standard sein. Zurecht würde man erwarten, dass beispielsweise alle Office-Nutzer-Identitäten automatisch im CRM-System als Nutzer erscheinen oder alle Kunden mit ihren eMail-Adressen aus dem CRM-System im Mail-Programm verfügbar sind. Leider ist das bis heute ein naiver Wunschtraum!

Crisp Research ist davon überzeugt, dass dies einer der Hauptgründe dafür ist, dass der Erfolg der App-Stores bis heute eher bescheiden ist. Sehr viele Kunden kaufen nur eine oder zwei Anwendungen. Die Crisp Research Analysten haben bereits seit zehn Jahren Telcos darauf hingewiesen, dass die Erwartungshaltung besonders von Mittelstandskunden ganz anders aussieht. Mehrere Anwendungen kauft man genau deshalb an einer Stelle, weil sie hier bereits vor-integriert angeboten werden. Genau dazu haben aber die Software-Giganten der Branche gar keine Lust. Sie möchten eher miteinander konkurrieren – leider auf Kosten der Mittelstandskunden. Beispielsweise ist Microsoft’s Office 365 in Deutschland bis zu sehr kleinen Firmen sehr beliebt. Microsoft’s CRM oder ERP dagegen viel zu groß, um hier reinzupassen. Da nehmen kleine Unternehmen lieber einfache und günstige Lösungen wie Fastbill. Die Deutsche Telekom hat den Software Monopolisten jetzt die Stirn geboten und mit Flowground.net einen ganz anderen Ansatz gewählt.

Um diese Herausforderung von einer unabhängiger Perspektive zu betrachten, hat Crisp Research bereits die initialen drei Gründungsmitglieder der OpenIntegrationHub.org Initiative mit einer Studie unterstützt. Darin wurde beispielsweise ersichtlich, dass gerade im Deutschen Mittelstand die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit, innovative Geschäftsmodelle und die Beschleunigung von Prozessen die wichtigsten Motivationen zur Integration von SaaS-Anwendungen sind. Nur knapp 17 Prozent der Befragten nannten die Kosteneinsparung als erstes Ziel der gewünschten Integration:

Crisp Research untersuchte die Motivation im Deutschen Mittelstand Anwendungen zu integrieren. Quelle: Crisp Research Studie

 

Nutzerkonten, Kundendaten, Aufträge, Rechnungen und Vertriebsinformationen sollten eigentlich in allen Anwendungen eines App-Stores transparent verfügbar sein – unabhängig davon, welche Apps man miteinander kombiniert und ob diese von dem gleichen oder ganz unterschiedlichen (konkurrierenden) Software-Herstellern stammen. Die Erwartungen der Kunden liegen also recht hoch. Da soll nochmal einer sagen, der Mittelstand ist einfacher als “Large-Enterprise”. Der typische Mittelstandskunde kauft viel weniger Software, weil er viel händisch integriert – und dazu immer weniger Lust hat. Genau dieses zusätzliche Potenzial, Software attraktiver durch Integration zu machen, versucht jetzt die Deutsche Telekom mit ihrem neuen Cloud-Dienst Flowground zu adressieren.

Flowground ist jetzt mit einem kostenlosen dreimonatigen Trial und kommerziellem Pricing verfügbar und besteht im wesentlichen aus drei Teilen:

  • Flowground Projektraum ist ein persönlicher Bereich in den mehrere Konnektoren importiert werden können und zu mehreren Flows zusammengesetzt werden können. Konnektoren können aus privaten oder öffentlichen Repositories (git) importiert werden. So ist Flowground direkt mit der Community verbunden. Ein Team arbeitet in einem Projektraum zusammen. Hat ein Unternehmen zwei verschiedene Teams, beispielsweise eins für die Finanz-Integration und eins für die CRM-Integration, braucht man zwei Projekträume.
  • Flowground Konnektoren triggern bidirektional den Datenaustausch am Anfang und Ende eines Flows. Konnektoren sind mit node.js oder Java geschrieben. Der Konnektor-Katalog ist mit 1400 Konnektoren einer der größten der Branche. Die Community um diese Konnektoren sind der größte Differentiator von Flowground. Übrigens, falls einem Unternehmen die Cloud irgendwann doch wieder zu teuer oder unsicher ist, kann man diese Konnektoren auch direkt in die kommerzielle Integration-Software der Firma Elastic.io importieren.
  • Flowground Flows verbinden Datenquellen mit Empfängern. Am Anfang und Ende steht immer ein Konnektor. Ähnlich wie in Enterprise Integrations-Tools oder mit Node-Red, in der IoT-Welt läuft hier viel in einem graphischen Editor vollkommen intuitiv ab. Damit läßt sich beispielsweise “Content-sensitives Routing” abbilden. Beispielsweise kommen Bestellungen von Kunden abhängig von ihrem Wohnort in vollkommen unterschiedliche Systeme zur Lieferung oder Berechnung. Ähnlich wie bei Konnektoren, können Nutzer untereinander oder gleich in der Community ihre kompletten Flows untereinander austauschen.

Das Konzept mit Konnektoren und Flows, die im Projektraum zusammenkommen, hat einen entscheidenden Vorteil. Nur im Projektraum sind die Daten eines Kunden sichtbar. Die Konnektoren enthalten nur Meta-Daten (z.B. Mapping von Feldern) genauso wie die Flows, die Konnektoren verbinden. Ein Anwender oder ein Systemintegrator, der Flowground verwendet kann deshalb seine angepassten Flows und Konnektoren bedenkenlos mit der Community austauschen.

 

Telekom’s Flowground: Integration mit Meta-Daten Community,
Quelle: Deutsche Telekom flowground.net

 

Crisp Research sprach zum Launch von Flowground mit Andreas Nemeth, Head of Technology & Operations, Digital Services bei der Deutschen Telekom:

Crisp: Andreas, kannst Du den Lesern von Crisp Research sagen, was hinter Flowground steht? Was habt ihr gekauft und was selbst entwickelt?
Andreas Nemeth: Die Basis von Flowground ist die elastic.io Plattform, die wir um eigene Komponenten wie z.B. einen Konnektor Katalog erweitert haben und der die Suche und Auswahl geeigneter Konnektoren vereinfacht. Zudem wird das ganze mit den hohen Sicherheitsstandards der Deutschen Telekom, aus unseren eigenen Cloud Rechenzentren in Deutschland betrieben.

Crisp: Ist ein Telekom Kunde, der Flowground nutzt, damit für immer an die Telekom gebunden?
Andreas Nemeth: Nein. Konnektoren und Integration Flows von Flowground können auch auf anderen Plattformen übertragen werden, die auf elastic.io basieren. So unterstützen wir die offene Community OpenIntegrationHub.org, in der auch das CloudEcosystem.org als Lobby der Cloud-Anbieter und die elastic.io als Technologie-Anbieter aktiv sind. Hier gibt es einen aktiven Austausch von Ideen und OpenSource Software. Möchte ein Kunden oder System-Integrator seine persönliche Anpassungen von Flowground in ein anderes Betriebskonzept bringen, wird ihm hier gezeigt, wie das geht. Dennoch glauben wir als Telekom gerade mit dem App-Store, von zahlreichen SaaS-Anwendungen und Flowground als Integrations-Plattform im gemeinsamen und sicheren Betrieb, ein extrem attraktives Angebot für den Mittelstand auf den Markt gebracht zu haben.

Crisp: Andreas, ist das denn wieder nur eine Middleware-Plattform bei der man noch viele Berater-Stunden kaufen muss, um die verschiedenen SaaS-anwendungen aus Eurem App-Store zu integrieren?
Andreas Nemeth: Nein, Stefan! Flowground ist keine leere Plattform. Wir haben besonders auf eine lebendige Community geachtet, die eben eine große Zahl von Standard-Integrationen als Startpunkt liefert. Um das deutlich zu machen haben wir über 1.400 Konnektoren unter Apache 2.0 auf https://github.com/flowground veröffentlicht. Diese Konnektoren kann man mit sehr wenig Aufwand individuell erweitern.

Crisp: Das hört sich wirklich nach einem neuen Ansatz an! Aber wie haltet ihr diese Konnektoren aktuell und können die Software Hersteller die auch selbst erstellen, oder sogar generieren?
Andreas Nemeth: Ja, diese Konnektoren haben wir aus öffentlichen API Beschreibungen automatisiert generiert. Den Konnektor Generator werden wir dann in den kommenden Monaten als Webservice zur Verfügung stellen. Es genügt dann eine OpenAPI Beschreibung, um sich den Konnektor Code erzeugen zu lassen.

Crisp: Andreas Nemeth, vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg damit, besonders im Mittelstand, der sich bisher aufwendige Enterprise Integration kaum leisten konnten.

Dennoch hat die Deutsche Telekom alles andere als eine Erfolgshistorie mit eigenem Intellectual Property. Solange Dienste von Marktführern wie Microsoft oder Salesforce.com einfach vermarktet werden, geht nicht viel schief. Sobald eigene Entwicklungen oder eine zusätzliche Wertschöpfung hinzu kommen wurde es beim deutschen Ex-Monopolist immer schwierig mit Cloud-Diensten. Sogar das andere Operations-Konzept, das die Deutsche Telekom auf die Microsoft Azure Cloud drauf setzte, war ein Flop. Auch die eigene Open Telekom Cloud leidet unter dem Innovationsdruck der Hyperscaler mit hochwertigen Plattform-Diensten. Kunden werden Flowground also nicht kaufen, “weil” es von der Deutschen Telekom kommt, sondern werden das innovativste Integrationskonzept kaufen, “obwohl” es von der Deutschen Telekom kommt. Time-To-Market ist ebenfalls entscheidend, um schnell genügend Marktanteil zu erzeugen und dann wieder die Community zum Wachsen zu bringen. Nur das motiviert letztlich auch die SaaS-Hersteller, direkt mit ihren Business-Anwendungen gleich die Flowground/Elastic.io Konnektoren mit anzubieten. Leider kommt Flowground drei bis fünf Jahre später auf den Markt als andere Lösungen. Ein ähnlicher Ansatz aus den USA, beispielsweise von der Dell-Tochter Boomi, ist schon seit Jahren im Markt – aber in Deutschland vollkommen erfolglos.

Die Deutsche Telekom hat mit seinem Technologiepartner nur dann eine Chance, wenn man zusätzliche Käuferschichten im Mittelstand mobilisieren kann, die bisher noch gar keine Integrations-Lösungen im Einsatz haben. Außerdem müssen Branchenverbände und die Systemintegratoren mit Branchenschwerpunkt dazu gebracht werden ihr Prozess-Know-How in Flows zu publizieren. Konnektoren unter der Anwender-freundlichen Apache Lizenz zu publizieren ist genau der richtige Ansatz. Das muss man aber deutschen Business-Entscheidern, die sich bisher kaum mit Offener-Innovation beschäftigt haben, erst einmal erklären. Ein aufwendiges Lobby-Marketing entscheidet deshalb genauso über den Erfolg, wie die Technologie.