Wir leben in der “Subscription-Economy”. Zumindest wenn man sich die Geschäftsmodelle rund um die Unterhaltungsindustrie ansieht, stimmt das. Allen voran sind hier Netflix, Peloton und Amazon Prime zu nennen.
Kommend aus der B2C Perspektive haben viele Autohersteller dieses Geschäftsmodell für ihre Software in den Fahrzeugen übernommen. In diesem Artikel analysieren wir den aktuellen Stand dieses B2C Models und geben konkrete Empfehlungen für einen Ausbau im B2C, B2B und B2B2C Bereich und was andere Branchen hiervon lernen können.
Subscription-based Geschäftsmodell
Die Theorie des abonnementbasierten Geschäftsmodells ist simpel: Anstatt eine einmalige Transaktion (zum Beispiel einen Kauf eines Filmes) mit den Kunden durchzuführen, bezahlen die Kunden regelmäßig einen fixen Betrag um Zugriff auf das Angebot (alle Filme und Serien) zu haben. Sie schließen ein Abonnement ab.
Dieses Modell ist bei Unternehmen die diese Dienste anbieten sehr beliebt, da es folgende Benefits für den Anbieter verspricht:
- Einen regelmäßigen und wiederkehrenden Strom an Einnahmen (auch MRR – “monthly recurring revenue” genannt)
- Loyale Kunden
- Langfristig einen erhöhten ROI gegenüber den Kundenakquisitionskosten
Dagegen steht aber die folgenden Herausforderung:
- Aufbau einer kritischen Masse an Kunden. Economies of Scale (Skaleneffekte) müssen erreicht werden.
- Minimierung der Absprungrate (Attrition- /Churnrate) der bestehenden Kunden, durch immer wieder neue Funktionen und Inhalte.
- Große Investments müssen im voraus getätigt werden, um den Kunden einen echten Mehrwert bieten zu können. Die Compelling Value Proposition muss aufgebaut werden.
- Eine fundamentale Änderung des Geschäftsmodells und der Strukturen dahinter. Das Produkt oder der Service muss sich gegebenenfalls komplett ändern, um die wiederkehrenden Gebühren zu rechtfertigen.
Überblick der digitalen Services in der Automobilindustrie
Um das subscription-based Geschäftsmodell umzusetzen, muss man nicht zwangsweise ein StartUp sein. Gerade die traditionsreichen Unternehmen aus der Automobil- und Mobilitätsbranche versuchen hier die Flucht nach vorn.
Der Mittelpunkt des Geschäftsmodells mit digitalen Services in der Automobilindustrie ist die Fahrzeugsoftware, das Betriebssystem des Autos und die hiermit möglichen Funktionen. Mittels einer App kann der Kunde Zusatzfunktionen für sein Fahrzeug freischalten. Mittlerweile hat fast jeder Fahrzeughersteller ein eigenes Angebot. Als Beispiel dient in diesem Artikel Mercedes mit seinen me connect Diensten. Der Kunde hat in seinem vernetzten Auto die Möglichkeit diverse Zusatzfunktionen wie smart Control Dienste, Remote Park-Assistent oder Fahrzeug-Setup direkt über die zugehörige App zu buchen. Je nach Service bewegen sich die Preise im Bereich von 19 € bis 59 € pro Jahr.Bild: Screenshot aus dem Mercedes me connect Shop https://shop.mercedes-benz.com/de-de/connect/Ein weiteres Beispiel für eine integrierte Lösung aus dem B2B-Bereich ist der “Digitale Gabelstapler” von Linde, das im Artikel “Digitale Geschäftsbeziehungen als Corona-Response” thematisiert wird.
Neben diesen Ab-Werk-Lösungen sind im Bereich digitale Services auch “Nachrüstsätze” von Drittanbietern auf dem Markt. Hier hat zum Beispiel der ÖAMTC seinen Service “Smart Connect” im Angebot. Ein Dongle wird an die ODB-Schnittstelle des Autos angeschlossen und überträgt die Zustandsdaten an eine App. Es bietet insgesamt natürlich nicht so viele Optionen wie die Software ab Werk, aber erweitert ein Auto um nützliche Funktionen.
Analyse der digitalen Services in der Automobilindustrie
Ist diese Art des Verkaufs der digitalen Services ein ertragreiches Geschäftsfeld? Potentielle Umsatzzahlen kalkulieren wir nachfolgend am Beispiel der Mercedes me connect Preise.
Im Jahr 2019 verkaufte Mercedes ca. 2,4 Million PKW. Würde tatsächlich jeder (eher unwahrscheinlich) Fahrzeughalter die digitalen Services buchen, kommt Mercedes hiermit auf einen Umsatz von 96 Millionen Euro pro Jahr, nimmt man einen Durchschnittspreis von 40 Euro pro Jahr an. Im Vergleich dazu lag der Umsatz der PKW Sparte in 2019 bei 93,9 Milliarden Euro. Die digitalen Services tragen somit einen verschwindend geringen Teil zum Gesamtumsatz bei. Natürlich addieren sich die Abogebühren über die Laufzeit auf. Nimmt man aber eine Lebensdauer von 10 Jahren an, ändert sich das Verhältnis nur geringfügig.
Sollten Hersteller somit ihre digitalen Services wieder einstellen? Nein, das wäre der falsche Weg. Im Gegenteil, sie sollten diese ausbauen und kostenlos bereit stellen damit mehr Nutzer die digitalen Services nutzen. Je mehr Nutzer, desto mehr Daten. Je mehr Daten, desto genauere und bessere Analysemöglichkeiten über das Nutzerverhalten. Diese bieten dann den eigentlichen Mehrwert für zukünftige Geschäftsmodelle. Ein wenig Umsatz mit nice-to-have Features sind für die Konzerne vielleicht aktuell ein schöner PR-Stunt, aber visionär in die Zukunft gedacht ist dies aktuell nicht.
In den Bereichen B2C, B2B und B2B2C erwarten uns einige spannende Möglichkeiten, die deutlich mehr Potential versprechen als Abomodelle von 40 € pro Jahr. Uns fallen hier folgende Beispiele ein:
- Auf Basis digitaler Fahrtenbücher könnten Versicherungsrisiken neu bewertet werden und sehr individuelle Policen erstellt werden, bei der sich diese je nach Situation dynamisch ändern. Werden Autohersteller auch zu Versicherungsanbietern?
- Zeitpunkte von Energiebedarf oder Speicherfähigkeit der Akkus können vorhergesagt werden und diese Informationen an Netzbetreiber verkauft werden. Hier kann die Abrechnung als Abonnement-Modell oder als pay-per-use-Modell geschehen. Wie diese Vernetzung mittels APIs durchgeführt werden kann lesen Sie ausführlich im Report “Digital E-Mobility 2022”.
- Die Hersteller öffnen ihr Betriebssystem für Drittanbieter Apps und beziehen eine Marge am App-Verkauf. Analog wie Apple das mit seinem Ökosystem aus iPhone, iOS und iOS-Apps macht. Diese Drittanbieter Apps können auch nach dem Freemium Modell integriert werden: das erste Jahr ist für den Nutzer gratis und wenn der Nutzen überzeugt und man sich daran gewöhnt hat, ist man gerne bereit, eine monatliche Abonnementzahlung zu leisten.
Was können andere Branchen hieraus lernen?
Führt man einen digitalen Service ein, sollte man nicht zu nah am eigentlichen Produkt denken. Wie im Artikel “Digitalstrategie – von Effizienz zu Innovation” erläutert, wäre dieses Vorgehen eine digitale Geschäftserweiterung, aber noch nicht ein neues Geschäftsmodell.
Erst die Denke in neuen Dimensionen, an gänzliche andere Geschäftsbereiche, ermöglichen ein grundlegend neues Geschäftsmodell, welches das vorhandene Geschäft eventuell sehr gut ergänzt.
Fokussieren Sie sich nicht auf kurzfristige Umsatzzahlen durch marginale Abonnementzahlungen. Denken Sie daran, dass das neue Geschäftsmodell idealerweise ein Potential haben muss, Ihren bisherigen Umsatz zu übertreffen. Dann können Sie auch leicht eine kostenlose Bereitstellung der digitalen Services begründen und auch anhand von Rechenbeispielen verargumentieren. Es mag zwar kurzfristig höherer Kosten ohne direkten Profit erzeugen, langfristig bieten sich unter Umständen aber enorme Umsatzpotenziale.
Neben dem Umsatz als KPI sollten Sie aber auch noch folgende Punkte bei der Bewertung von digitalen Services genau verfolgen:
- CAGR (Compound Annual Growth Rate – jährliche Wachstumsrate): Die CAGR stellt das durchschnittliche jährliche Wachstum einer zu betrachtenden Größe dar.
- Conversion Rate (Konversionsrate): Diese gibt den Teil der Kaufinteressenten an, die eine bestimmte Webseite besuchen und dabei zu Käufern werden.
- Attrition / Churn Rate (Abwanderungsquote): Die Abwanderungsrate definiert die über einen bestimmten Zeitraum verzeichnete Anzahl der Kunden, welche den Dienst nicht weiter nutzen, geteilt durch die Anzahl der Gesamtkunden. Sie gibt eine Übersicht über das Wachstum oder die Abnahme der Kundenzahlen sowie die durchschnittliche Länge der Teilnahme am Dienst.
- Customer retention rate (Kundenbindungsrate): Sie gibt den Prozentsatz an Kunden an, die nach einer festgelegten Zeitperiode immer noch Kunden eines bestimmten Betriebes sind.
Bedenken Sie immer: Sobald sich der Nutzer einmal auf ein Produkt eingelassen hat, ist es für ihn umso schwieriger dieses zu kündigen und aufzugeben, weil er hierdurch einen hohen Mehrwert hat. Diese emotionale Komponente sollten Sie neben den zahlengetriebenen KPIs nicht ausser Acht lassen.