Expert Views

Published on Sep 14, 2020

Die teuerste Fracht

Digitalisierung bewahrt die Logistikbranche vor dem analogen Chaos

Die Logistikbranche in der DACH-Region zeichnet sich durch einen sehr fragmentierten Querschnitt der Unternehmen aus. Sowohl die Größe der Unternehmen, von globalen Mega-Konzernen wie UPS, DHL, Kühne + Nagel & Co. über mittelständische Spediteure und Dienstleister wie Hermes oder LKW WALTER, bis hin zu Klein- und Kleinstunternehmen, als auch die Geschäftszweige unterscheiden sich teilweise deutlich. Doch egal ob Lagerlogistik, Supply Chain oder Transportlogistik, mit eigenen Fahrzeugen oder nur als Steuerungs- und Erfüllungsdienstleister, alle Unternehmen vereint die Notwendigkeit, ihre Prozesse zu optimieren, Schnittstellen zu eliminieren und die digitale Vernetzung voranzutreiben.

 

Status Digitalisierung – Die Weichen sind gestellt, die Arbeit ist noch zu tun

Wenngleich Lager- und Transportlogistik unmittelbar aufeinander aufbauen, sind die Maßnahmen in Sachen Digitalisierung und Optimierung der Prozesslogik in den Bereichen oft sehr speziell. Zwischen einer optimierten Lagerlogistik an einem Standort und dem intelligenten Tourenmanagement auf der Autobahn liegen disziplinarisch Welten. Dennoch lassen sie sich insbesondere für die Digitalisierung nicht trennen, da gerade an diesen Schnittstellen oftmals ein Erheblicher Zeit- & Effizienzverlust erfolgt, da Lagerlogistik und Transportlogistik nicht aufeinander abgestimmt sind, wie auch eine Untersuchung der Bundesvereinigung für Logistik (BVL) gemeinsam mit T-Systems bestätigt.

Das Problembewusstsein ist in der Logistik schon seit längerer Zeit angekommen. Oft fehlte das Geld, die Bereitschaft und Inspiration, sich diesen Problemen auch anzunehmen. Mittlerweile erkennen viele Logistiker jedoch die Chancen und Notwendigkeiten der Digitalisierung und können auf den Best Practices der Vorreiter ihrer Branche aufbauen.

Der Umsetzungsstand digitaler Technologien zur Prozess- und Geschäftsmodellentwicklung ist noch immer sehr gering und beschränkt sich auf einige wenige Unternehmen, die sich getraut haben den ersten Schritt zu machen. Nur weniger als 10 Prozent aller Unternehmen können schon nennenswerte Fortschritte bei der Umsetzung digitaler Dienstleistungen und neuer Geschäftsmodelle bzw. Geschäftszweige vorweisen. Die restlichen Unternehmen arbeiten an dessen Durchbruch oder planen erst in der Zukunft, diesen Schritt zu gehen. In Sachen Geschäftsmodelltransformation und dem Aufbau neuer Geschäftszweige neben dem Kerngeschäft sind je ein Drittel der Logistiker noch skeptisch, dies überhaupt in der Zukunft erfolgreich umzusetzen.

Für den Erfolg der Digitalisierung in der Logistik, in der Güter viele Hände von der Produktionsstätte bis zum Endabnehmer durchlaufen, wird es allerdings umso wichtiger sein, eine branchenweite und einheitliche Linie zu fahren – im wahrsten Sinne des Wortes. Nur dann, wenn der Austausch der Daten, die Integration und Vernetzung untereinander und damit ein lückenloser Ablauf sichergestellt ist, haben alle Unternehmen etwas vom Erfolg dieser Transformation.digitales Geschäftsmodell

 

Treiber der Digitalisierung in der Logistik – Umwelt, Abnehmende und Mitarbeitende im Fokus

Die Motivation für die Logistiker könnte nicht höher sein. Nahezu unter Vollauslastung und einem immer stärker steigenden Transportvolumen auf fast allen Routen existieren zahlreiche Treiber, in denen Digitalisierung der Heilsbringer zu sein scheint:

  • Nachhaltigkeit – Der emissionsfreie oder wenigstens CO2-neutrale Transport von Gütern wird bald zur Pflichtübung für alle Logistiker. Leerfahrten, Umwege oder alte Antriebskonzepte müssen gestrichen werden. Die Vernetzung der Trucks und der Elektroantrieb werden hier einen erheblichen Einfluss nehmen
  • Effizienz Noch immer kommt es zu langen Wartezeiten an den Schnittstellen der Logistiker, wie der Laderampe. Auch die Optimierung der Routen, Zusammenführung der Fahrten und damit die Steigerung des Transportvolumens je Fahrt sind Herausforderungen, denen sich nahezu ausschließlich mit der Unterstützung von Daten und komplexen Algorithmen begegnen lässt, die derlei Ineffizienzen erkennen und Empfehlungen aussprechen, diese zu überwinden
  • Vernetzung – Die Zusammenarbeit zwischen vielen Logistikern und Beteiligten entlang der Lieferkette funktioniert oftmals analog und wenig vereinheitlicht. Würde diese Zusammenarbeit durch einheitliche digitale Standards stärker vorangetrieben werden und vielleicht sogar zentrale Steuerungstools verwendet werden, die allen Beteiligten zugänglich sind, könnten hier erhebliche Vorteile zu Tage gefördert werden
  • Online-Handel – Wenn es in der aktuellen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Gesamtlage einen Gewinner gibt, dann wäre es vermutlich der Online-Handel. Das Volumen im E-Commerce hat noch einmal erheblich zugenommen, sowohl bei den etablierten angebotsstellenden Unternehmen als auch bei neuen, die ihren Absatzkanal aus der Not heraus in das Internet verlagert haben. Amazon hat sich in den letzten Monaten endgültig zum Logistiker für die letzte Meile entwickelt und gezeigt, dass durch die Vernetzung und Vereinheitlichung der Lieferkette auch Same-Day-Delivery möglich ist – if you can beat it, join it!
  • Corona – Auch wenn es keine Nachricht mehr wert ist, dass Corona die Wirtschaft und Gesellschaft verändert, ist die Pandemie dennoch ein Treiber für die Digitalisierung der Logistik. Dazu zählen beispielsweise auch Abstandskonzepte und Automatisierungen bzw. kontaktloses Picking in den Warenhäusern, um den behördlichen Auflagen zur Prävention zu genügen. Gleiches gilt an den Schnittstellen zwischen Lager- und Transportlogistik
  • New Work – Nach wie vor sind viele Berufe in der Logistik, insbesondere für Fernfahrer/innen, ein Lebenstraum. Dennoch gehen neue Arbeitsmodelle und Trends aus der New-Work-Bewegung auch nicht spurlos an den Menschen vorbei. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, die Nutzung moderner Technologien für den Arbeitsalltag und damit die Erleichterung der Abläufe für jeden einzelnen durch den Zugang zu Smartphones und Apps statt Stift und Zettel sind legitime Forderungen, die es zu erfüllen gilt
  • Sicherheit – Dazu gehört auch ganz besonders die Sicherheit aller Beteiligten. Insbesondere für Berufskraftfahrer/innen sind Pausen, Sicherheitskonzepte und Assistenzsysteme eine potenzielle Lebensrettung, die durch Daten und digitale Services erst zum Einsatz kommen kann

 

Handlungsfelder & Use Cases der Digitalisierung

Diese Möglichkeiten sorgen dafür, dass die Verantwortlichen der Logistikunternehmen auch neue Hoffnungen schöpfen, die Wartezeiten für ihre Fahrenden zu verringern, die Transparenz der Abläufe und die Planung der Routen weiter zu optimieren. Damit ergeben sich für die Logistiker folgende Handlungsfelder der Digitalisierung:

  • Aufbau & Update der Hard- & Software Für die Digitalisierung müssen viele Logistiker erst einmal die Grundlage schaffen. Endgeräte und Sensoren innerhalb der Warenhäuser und LKWs sind dazu ebenso notwendig wie der Aufbau einer Software-Landschaft, welche die entsprechenden Anwendungen umfasst, um die Interaktion zu ermöglichen. So können Unternehmen in der Logistik oder idealerweise als Konsortium damit einsteigen, einfache Anwendungen für die Mitarbeitenden bereitzustellen, die analoge Prozesse digital abbilden, somit weniger Papier anfällt und die Abläufe vereinfacht und fehlerfrei laufen können
  • Digitale Infrastruktur – Um auch eine hohe Zahl von Daten untereinander auszutauschen und auszuwerten sowie die Software überall für jeden Mitarbeitenden bereitstellen zu können, braucht es eine adäquate digitale Infrastruktur. Cloud Computing und hybride Cloud-Landschaften werden das Mittel der Wahl, um schnell, flexibel und mit hoher Performance die Anwendungen und IoT-Plattformen zu betreiben
  • E-Commerce – E-Commerce ist einerseits der größte Treiber für die Logistik, der zu mehr Auftragsvolumen führt. Gleichzeitig ist er auch die Chance für die Logistiker selbst, die Aufträge ins Internet zu verlagern und somit direkt alle Informationen zentral und integriert zu den Partnerunternehmen und der Kundschaft aufzunehmen. Mit dem Aufbau einer E-Commerce-Plattform als Logistiker, gerade im B2B-Geschäft, erhalten die Unternehmen den optimalen Einstiegspunkt zu mehr Transparenz und einer optimierten Routen- und Preisplanung
  • Daten-basierte Geschäftsmodelle – Digitale Plattformen und Services à la Track & Trace sind in der Logistik schon seit einiger Zeit angekommen. Doch auch darüber hinaus können mit der Vernetzung und Nutzung von Daten neue Potenziale gewonnen werden. Das Wissen, das aus den gewonnen Daten durch die Vernetzung der LKWs und Frachten gezogen werden kann, ist für viele Unternehmen ein teures Gut. Ebenso dient die Vernetzung mit anderen Logistikern dazu, die oben genannten Prozessvorteile zu realisieren. In Sachen Daten heißt es für die Logistiker folglich Geben & Nehmen!
  • Künstliche Intelligenz – In der Lage zu sein, aus Daten Informationen zu generieren und diese digital verfügbar zu machen ist bereits ein Quantensprung. Mit Hilfe von künstlicher Intelligenz können sie darüber hinaus verwendet werden, um Muster und Verbesserungsmöglichkeiten im Prozess zu erkennen, die Prozessoptimierung kontinuierlich zu verbessern und mit Hilfe digitaler Assistenz entweder automatisiert oder als Empfehlungen Handlungen anleiten. KI wird ein Game Changer in allen Bereichen der Logistik werden.

 

Die Cloudflight-Vision – Digitale Assistenz als Transportmanager 2.0

Zu klären bleibt die Frage: Wie digital fährt die Logistik von morgen schließlich? Einige Projekte, wie beispielsweise die Telematik- & Logistikplattform RIO, an der unter anderem MAN beteiligt ist, oder TrailerConnect von Schmitz Cargobull zeigen, dass insbesondere die großen LKW-Hersteller neben der Weiterentwicklung ihrer Zugmaschinen und Auflieger auch ganz konkret an digitalen Mehrwert-Services arbeiten, die für die Unternehmen bereitstehen und für mehr Transparenz und verbesserte Abläufe sorgen.

Auch Cloudflight arbeitet eng mit Unternehmen aus der Lager- und Transportlogistik zusammen und möchte auch sie zum Treiber der Digitalisierung entwickeln. Echtzeitdaten für die LKW-Gespanne spielen dabei eine wichtige Rolle.

Eine integrierte digitale Transportlogistik-Plattform könnte beispielsweise einen erheblichen Vorteil für die Transportmanager bieten, die für die Disposition und Planung der Touren und Ladungen verantwortlich sind. Angebunden an die Telematik-Systeme der Hersteller, die internen Backend-Systeme, die Auftrags- und Service-Portale sowie das intelligente Fuhrpark- und Routenmanagement könnten auf einer Plattform zusammengebracht werden. Mit Hilfe von künstlicher Intelligenz könnten alle Daten, wie beispielsweise die Transportmengen, Routen und speziellen Anforderungen für den Transport erfasst und zusammengeführt werden.Digital Logistics PlatformUnsere Vision: Eine vernetzte und intelligente Logistik-Plattform, die anhand eines Self-Service-Portals für die Endkunden die User Experience deutlich anhand smarter Lösungen steigern kann, einer Digital Workforce, die den Transportmanager in seiner Arbeit entlastet und diese effizienter gestaltet sowie die Generierung zusätzlicher Umsatzquellen anhand eines intelligenten Furhparkmanagementsystems für die Transport Service Provider.Das Ziel ist es, eine digitale Assistenz für die Transportmanager bereitzustellen und die Kommunikation mit den Fahrenden und Steuerungssystemen der Fahrzeuge zu verbinden. So kann die KI Ineffizienzen oder zusätzliche Potenziale, bspw. das Sparen einer Extra Route, anhand des gesamten Datenbestands identifizieren und proaktiv anzeigen. Das sorgt dafür, dass unter dem Strich mehr Fracht pro Strecke befördert werden kann, um wiederum die Überlastung der Fahrenden zu reduzieren und die Umwelt zu schonen.

Für die gesamte Logistikbranche bieten sich Stand heute bereits zahlreiche Anwendungsfälle an, die durch bestehende und elaborierte Technologien unterstützt werden können. Es ist noch ein weiter Weg zu gehen, um tatsächlich Lagerlogistiker und Transportlogistiker vom Lager bis zur letzten Meile vollständig zu vernetzen. Aber es ist möglich!